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Bangkok Einst und Jetzt
Das ist das erste Kapitel von Bangkok, Einst und Jetzt:
Einführung

GESTERN, HEUTE

1900 n. Chr. bis 2000 n. Chr. Im Verlauf von nur einhundert Jahren, einem flüchtigen Moment gemessen am Alter der Erde, hat Thailand radikale Veränderungen wie nie zuvor in seiner Geschichte erlebt, ein Wandel, der das Gesicht Bangkoks für immer bestimmt hat.

Um 1900 war die thailändische Gesellschaft noch ganz von der Landwirtschaft geprägt. Dörfer und Städte sprenkelten die Landschaft, umgeben von endlosen grünen Reisfeldern, die wiederum von dem dunkleren Grün des Regenwalds begrenzt wurden, in dem noch Jäger und Sammler lebten. Der größte Punkt in dieser Landschaft war Bangkok, das wirtschaftliche Zentrum des Landes, eine urbane Insel im endlosen Meer der Reisfelder, die von Kanälen wie von feinen Adern durchzogen wurde.

Eigentlich beschreibt "Strich" das Bangkok des 19. Jahrhunderts besser als "Punkt". Die frühe Struktur der Stadt spiegelt noch ihren ländlichen Ursprung wider, als ein Großteil der Bevölkerung entlang der Ufer des Chao Phya wohnte.

Der mächtige Chao Phya war die Verbindungsstraße des Landes zu den Städten des Nordens wie Chiang Mai, das man auf ihm in sechs Wochen erreichte. Und er war die Straße zur Welt: Schiffe mit fremden Namen am Heck befuhren ihn auf dem Weg von und zu fernen Häfen oder gingen auf ihm vor Anker. Um 1900 wurde der Fluss noch von keiner Brücke gekreuzt. Die Erste, die Rama IV-Brücke, sollte erst 1926 gebaut werden, und auch nur für die Züge, die die Südhalbinsel hinunter nach Singapur fuhren.

Bis zum 16. Jahrhundert gab es kein Bangkok, sondern nur Thonburi. Der Chao Phya floss dort, wo sich heute der Klong Bangkok Noi und Klong Bangkok Yai befinden. Um die Fahrtzeit zwischen dem Meer und der Hauptstadt Ayutthaya abzukürzen, ordnete König Chairajathiraj (1534-1546) an, dass von dem Punkt, an dem heute der Bangkok-Noi-Bahnhof steht, bis etwa zum Wat Arun quer über eine Flusswindung ein 2 km langer Kanal ausgehoben wurde. Erodierende Kräfte erweiterten diesen Kanal schließlich zu dem Fluss von heute.

Thonburi (Geldstadt) war zunächst nur ein Vorposten mit Festungen zu beiden Seiten des Flusses - die eine an der Mündung des Klong Bangkok Yai existiert heute noch - als Schutz vor einer Invasion vom Meer her. Da Thonburi zugleich Ayutthayas Zollhafen war, ließen sich viele Thais hier nieder und eine kleine Stadt entstand. Erst nach der Zerstörung Ayutthayas 1767 durch die Burmesen verlegte König Taksin (1767-1782) seinen Palast hierher in das sicherere Thonburi in die Nähe des Wat Arun.

Bangkok wurde damals wie heute vom Wasser geprägt. Der Transport auf den Dutzenden von Kanälen fand vordringlich mit Booten statt, von denen es ein Vielfalt von Typen gab, die jeweils auf ihren spezifischen Zweck hin zugeschnitten waren. Der bekannteste Westufer Bootstyp, der Sampan, brachte Passagiere, Straßenhändler, sogar ganze Restaurants von Tür zu Tür. 1900 war Bangkoks erste gepflasterte Straße weniger als 40 Jahre alt, und obwohl das Automobil bereits 1897 seinen Auftritt hatte (das gehörte dem Adeligen Chao Phya Sursakh Montri), blieben Pferdefuhrwerke, Kutschen und die Straßenbahn weiter die Hauptbeförderungsmittel. Ochsenkarren holperten durch die meist unbefestigten Gassen und Pferdedroschken boten gegen Entgelt auf den Hauptstraßen ihre Dienste an, während Rikschas von einem Ende der Stadt zum anderen eilten.

Auf einer Fahrt durch die Stadt begegnete man einer ungeheuren Vielfalt von Gebäuden. Die meisten von ihnen waren aus Holz. Kaum ein Wohn- oder Geschäftsgebäude hatte mehr als drei Stockwerke, und die Wats (Tempel) - 1908 gab es einer zeitgenössischen Zählung nach 398 - stellten damals mit ihren hohen Dächern noch die höchsten Bauwerke der Stadt dar.

Ein Sprung in das Jahr 2000. Wie ein Moloch hat das moderne Bangkok die Felder unter sich begraben, die es einst umgaben. Der ursprüngliche Stadtkern ist jetzt von zahlreichen Satellitenstädten umgeben, von denen jede ihr eigenes Zentrum - meist eine riesige Shopping Mall - mit Häusern und kleinen Geschäften darum hat. Zugleich hat sich die Stadt nach Westen ausgedehnt. Schnitt 1932 die Gedächtnisbrücke noch wie ein Messer in den unberührten Dschungel, säumen heute die Stahl- und Betonkonstruktionen des modernen Bangkok beide Flussufer. Acht Brücken führen heute über den Chao Phya, jedes Jahr folgen weitere und verklammern die Zwillingshälften der Stadt zu einem geschlossenen Ganzen.

STRASSENLEBEN
Anhand zeitgenössischer Darstellungen kann man sich eine typische Straße an einem Markttag ausmalen. Vor den Läden stehen mit Waren überreich beladene Regale, Bürgersteige gibt es nicht. Markisen beschatten die Kunden, die Turbane, Mützen, Tropenhelme und andere Kopfbedeckungen tragen und in Kaftane, Sarongs, Dhotis und die unterschiedlichsten anderen Trachten gehüllt sind. Barfuss oder in Sandalen steigen sie vorsichtig über die offenen Abwasserkanäle. An der Ecke warten Karren, deren Pferde versuchen mit dem Schwanz die lästigen Fliegen zu verscheuchen, auf Fahrgäste. An einer anderen Ecke sitzen Kulis mit ihren spitzen Hüten auf den Stangen ihrer Rikschas und rollen groben Tabak in Bananenblätter, während sie leise schwatzen und dabei nach Kundschaft Ausschau halten.

Eine vornehme Kutsche versucht vorwärts zukommen, aber der Weg wird ihr vom Durcheinander der Fußgänger versperrt, die die Straßen beherrschen. Der Staub der Kutsche vermischt sich mit dem der Kühe, die zum Thanon-Tok-Schlachthof getrieben werden. Händler preisen ihre Waren an: Süßigkeiten, Betelnüsse, Allheilmittel, hausgemachte Parfüms. Hunde durchwühlen Abfallhaufen.

Das Knarren der Karren, die sich den Weg bahnen, um Gemüse von den Kais zu den Märkten zu schaffen, vermischt sich mit dem Gemurmel der Thais und unzähligen anderen Sprachen. Aus den Seitengassen kommt das Geräusch der Schmiede und Fuhrleute, die Hufeisen formen oder ihre Kutschen reparieren. In einer anderen Gasse verrät gedämpftes Hämmern einen Böttcher, der Kisten und Fässer anfertigt. Klackende Webstühle spucken Tuch aus, während auf einer summenden, fußbetriebenen Drehbank ein Tischbein aus Teak entsteht.

Nur manchmal durchbricht das heftige Bimmeln einer Straßenbahn das Summen des geschäftigen Treibens. Ein Sikhpolizist mit seinem mächtigen Turban lässt in einem vergeblichen Versuch, Ordnung zu schaffen, seine Pfeife ertönen. Neben dem Gestank der Abwässer hängt der betäubende Duft der Räucherstäbchen aus einem chinesischen Schrein und das verlockende Aroma von Chilis, die in einem Wok brutzeln, in der Luft. Eine elegante Dame auf ihrem Heimweg presst ein lavendelgetränktes Taschentuch vor die Nase, während sie zierlich über die Gräben steigt.

Und von oben brennt unerbittlich die Sonne.
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